„Kampf des Negers und der Hunde“ von Bernard-Marie Koltès
Wenn die Gefahr hinter dem Zaun lauert, ist der Fremde nicht weit.
Bernard-Marie Koltès moderner Klassiker „Kampf des Negers und der Hunde“ ist ein Stück über die fest verwurzelte Angst in uns. Angst vor dem Fremden, Angst vor Veränderungen, Angst vor den Folgen des eigenen (Nicht-) Handelns. „Afrika“ wird zur Metapher dieser dunklen Bedrohung des Gesicherten, es lauert jenseits des Stacheldrahts. Der eigentliche Kampf verläuft nicht zwischen Weiß und Schwarz, sondern zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.
Eine Ko-Veranstaltung von Petra Schönwald und ARGEkultur Salzburg.
Irgendwo in Westafrika: Ein Schwarzer gelangt ins umzäunte Lager der Weißen. Sein Name ist Alboury. Er ist gekommen, um den Leichnam seines ermordeten Bruders zu fordern. Ein Mord, von dem keiner mehr wissen will. Horn, der Baustellenleiter, versucht den Eindringling zu vertrösten, der Ingenieur Cal möchte ihn am liebsten verjagen. Nur Léone, Horns Verlobte, sehnt sich nach dem Fremden. Mit Alboury dringt eine reale Gefahr in die Welt der Weißen. Die Gefahr um die eigene Safety-Zone.
(…) Regisseurin Petra Schönwald holt gemeinsam mit vier Schauspielern diesen brisanten postkolonialen Albtraum auf die Studiobühne der ARGEkultur. Mit einer beklemmenden Dringlichkeit entführt die Regisseurin in die Abgründe des Menschlichen. Sehr deutlich werden die Probleme von Zivilisationsexport, Globalisierung und Kapitalismus in Bilder übersetzt. (…) Petra Schönwald geht bei ihrer Inszenierung keine Kompromisse ein, lässt Text und Schauspieler das Publikum anpacken. Immer und immer wieder. Sie entspinnt einen atmosphärischen Psychothriller, der verstört, weil er den Finger nicht aus der Wunde nimmt, sondern sie aushöhlt. Überzeugend umschiffen Theo Helm als impotenter Macho Horn, Elisabeth Nelhiebel als aufgetakelter Männertraum Léone und der Asylberechtigte Abdirizak Ali Nuur als mysteriöser Afrikaner Alboury die Klischeefalle ihrer Figuren. (…) [Salzburger Nachrichten vom 26.2.2016]
(…) Billigste Sichtschutzmatten aus dem Baumarkt versperren den Europäern die Sicht nach draußen, in die Wirklichkeit. Die Welt der Weißen wird zum Schrebergarten der Ignoranz und des Ethnozentrismus. (…) Petra Schönwald hat die Rolle des Alboury mit dem 2008 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich gekommenen Somali Abdririzak Ali Nuur besetzt. Es hätte keinen besseren Aktualitätsbezug geben können. Er entsteht in den Köpfen des Publikums, ohne dass Schönwald etwas am Original verändern musste. Die Anwesenheit des Fremden erzeugt jene Angstbilder in den Köpfen der drei Europäer, denen wir heute tagtäglich begegnen. Die Palette reicht von ansteckenden Krankheiten – „sie spucken, das ist eine Gefahr für uns“ – über die Panik vor der Rache der Unterdrückten bis zur Furcht heterosexueller Männer, die Fremden nähmen ihnen die Frauen weg. Und die Sichtschutzmatten versperren weiterhin den Blick auf die Wirklichkeit. [Der Standard vom 25.2.2016]
(…) Ohne „Betroffenheitstheater“ erlebt zu haben, kommt man anders aus dieser Aufführung heraus, als man hinein gegangen ist. Wahrscheinlich ist es gerade dieser Unterschied zwischen „gut“ und „gut gemeint“, der das Besondere dieses Abends ausmacht. (…) Petra Schönwald setzt auf durchaus krasse Figurenzeichnung und es ist den Darstellern wohl anzuschreiben, dass Klischeebilder trotzdem weitgehend außen vor bleiben. Alle drei Bühnenfiguren scheinen zu wissen, dass sie Protagonisten einer Endzeit sind. (…) So radikal ist Bernard-Marie Koltès. Und genau das ist eben der Unterschied zu unserer allgemein verbreiteten Betroffenheits-Kultur, in der Leute, die im Grunde keine Ahnung haben, ihre europazentrierten Gescheitheiten verbreiten. Mit lauteren Absichten, versteht sich. [drehpunktkultur vom 25.2.2016]
Produktion Petra Schönwald und ARGEkultur Salzburg | Regie und Bühne Petra Schönwald | Assistenz Laura Boob | Wissenschaftliche Mitarbeit/Dramaturgie Élodie Malanda | Kostüme Team | Licht Florian Hass | Musik und Komposition Christopher Biribauer | Spiel Theo Helm, Elisabeth Nelhiebel, Abdirizak Ali Nuur, Benedikt Vyplel | Dauer ca. 90 Minuten | Pause nein